Die BILD-Zeitung berichtete in der vergangenen Woche von einem „Häuserkrieg“ auf Mallorca und dass die Balearen-Regierung beabsichtige, 900 Häuser abzureißen. Was steckt hinter dieser reißerischen Titelzeile?
Der Betroffene hatte im Jahre 2000 eine Villa gekauft, die im Naturschutzgebiet (Tramuntana-Gebirge, seit kurzem Weltkulturerbe) bei Llucalcari stand und vor mehr als 20 Jahren mit einer Baugenehmigung der zuständigen Gemeinde errichtet worden war, die später für illegal erklärt wurde. Nach 20 Jahren Rechtsstreit stand nun rechtskräftig fest, dass diese Villa abgerissen werden muss. Das Urteil wurde jetzt vollstreckt – wie bei weiteren drei Häusern in vergleichbarer Lage. Der Betroffene meint nun, 900 weitere Häuser im Tamuntana-Gebirge müssten ebenfalls abgerissen werden, da auch sie illegal errichtet wurden.
Unser Rechtsexperte Lutz Minkner kommentiert diese Situation:
(1.) Das öffentliche Baurecht teilt die Fläche der Balearen in verschiedene Bau- und Schutzgebiete ein: Die meisten unserer Leser werden z.B. die Zonen „zona urbana“ (städtische Zone) und „zona unifamiliar“ (es dürfen nur freistehende Einfamilienhäuser gebaut werden) und „zona plurifamiliar“ (es dürfen nur Mehrfamilienhäuser gebaut werden). In den vorgenannten Zonen besteht ein absolut sicheres Baurecht. Wer dort im Rahmen der jeweiligen Normativa mit Baugenehmigung und Bauabnahme baut, kann sicher sein, dass er keine Abrissverfügung erhält. Und …… nach acht Jahren erhält hat auch ein illegaler Bau in der Regel Bestandsschutz.
(2.) Große Teile der Insel, insbesondere die der Gebirgszüge, sind als ANEI (Naturschutzgebiet) oder ARIP (Landschaftsschutzgebiet) ausgewiesen. In diesen Gebieten darf grundsätzlich nicht neu gebaut werden. Gebäude, die vor Deklarierung zu ANEI oder ARIP schon vorhanden waren – und nur diese -!, genießen Bestandsschutz. Allen Häusern, die danach errichtet wurden, droht der Abriss. In den ARIP-Zonen kann legaler Bestand um max. 4 % mit einer entsprechenden Baugenehmigung erweitert werden. Übrigens keine spanische Eigenheit. Wir finden im deutschen öffentlichen Baurecht ähnliche Normen.
(3.) Es ist nicht bekannt, ob der Rechtsvorgänger des Betroffenen die Baugenehmigung durch Bestechung des Bürgermeisters oder aufgrund der Inkompetenz des damaligen Bürgermeisters erlangt hat. Im letzteren Falle hätte der Betroffene Schadenersatzansprüche gegen die Gemeinde und gegen seinen Verkäufer. Offenbar hat der Verkäufer den bereits anhängigen Streit um die Legalität der Baugenehmigung dem Betroffenen verschwiegen. In der Presse ist zu lesen, dass etwaige Schadenersatzansprüche gegen die Gemeinde verjährt seien. Dann wären Schadenersatzansprüche gegen den beauftragten Rechtsanwalt wegen Fristversäumung zu prüfen.
(4.) Ob auch weiteren Häusern der Abriss droht, ist jeweils eine Frage des Einzelfalls. Über die Anzahl der betroffenen Objekte gibt es kein gesichertes Zahlenmaterial. In vielen Fällen ist es tatsächlich so, dass eine unter Verstoß gegen die gesetzlichen Bestimmungen erteilte Baugenehmigung der Gemeinde vorliegt. Entweder wurden Gemeindevertreter bestochen oder aber die Gemeindevertreter wollten Kapital in ihre Gemeinde locken. Jedenfalls im letzteren Fall hätten die Betroffenen gegen die Gemeinde Schadenersatzansprüche. Da alle Gemeinden Mallorcas hoch verschuldet sind, ist derzeit kaum denkbar, dass die Gemeinden Abrissverfügungen erlassen und damit selbst den Schadenersatzprozess auslösen.
(5.) Der Fall zeigt exemplarisch, wie wichtig es ist, beim Kauf einer Immobilie einen kompetenten Makler und/oder einen Rechtsanwalt zu Rate zu ziehen. Beide hätten im vorliegenden Fall wegen der Risikolage (Haus liegt im Naturschutzgebiet, kein Bestandsschutz, Abrissverfügung möglich) von einem Kauf abgeraten.